Der 25. Mai ist Weltschilddrüsentag – jede Dritte erkrankt an der Schilddrüse
- Dr. Christian Lunow
- 24. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Sie liegt in der Mitte des Halses, zwischen Kehlkopf und Brustbein, direkt unter der Haut. Bei jedem Blick in den Spiegel gleiten unsere Augen über sie hinweg, ohne dass wir an sie denken – im besten Fall. Unsere Schilddrüse ist nur so groß wie eine Walnuss und doch von zentraler Bedeutung für unser Wohlbefinden. Funktioniert das Organ nicht mehr richtig, beginnt für Betroffene mitunter ein langer Leidensweg. Oft ist er mit unspezifischen Symptomen verbunden, sodass Beschwerden lange Zeit nicht mit der Schilddrüse in Verbindung gebracht werden. Weltweit sind schätzungsweise 200 Millionen Menschen betroffen. Ein erhöhtes Risiko haben Schwangere, Frauen, ältere Menschen und Kinder. Und: Schilddrüsenerkrankungen können gesundheitliche Risiken bergen, die die Lebenserwartung beeinträchtigen – selbst dann, wenn sie zunächst keine akuten Symptome verursachen.
Am 25. Mai ist „World Thyroid Day“ (Weltschilddrüsentag) – der richtige Zeitpunkt, sich das kleine Organ mit der großen Wirkung einmal genauer anzusehen.

Was ist der „World Thyroid Day“?
Der „World Thyroid Day“ (Weltschilddrüsentag) am 25. Mai soll auf die große Bedeutung der Schilddrüse für die Gesundheit aller Menschen aufmerksam machen – ebenso wie auf Schilddrüsenerkrankungen und deren Früherkennung, Diagnose und Behandlung.
Ins Leben gerufen wurde der weltweite Aktionstag im Jahr 2008 von der European Thyroid Association (ETA) in Zusammenarbeit mit weiteren internationalen Fachgesellschaften, darunter die American Thyroid Association (ATA), die Asian Association of the Thyroid (AOTA) und die Latin American Thyroid Society (LATS).
Wie verbreitet sind Schilddrüsenerkrankungen?
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation leiden weltweit etwa 200 Millionen Menschen an einer Schilddrüsenerkrankung. Rund 1,6 Milliarden Menschen sind von Jodmangel bedroht – dem größten Risikofaktor für eine Schilddrüsenvergrößerung (Struma).
In Deutschland erkrankt etwa jeder dritte Erwachsene im Laufe seines Lebens an einer Schilddrüsenerkrankung. Die häufigste Form ist – wie auch in anderen westlichen Ländern mit gut entwickeltem Gesundheitssystem – die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis. Schätzungen zufolge erkranken vier bis zehn Prozent der Bevölkerung – manche Studien sprechen sogar von bis zu zwölf Prozent – irgendwann im Leben an Hashimoto-Thyreoiditis; die Tendenz ist steigend. Betroffen sind vor allem Frauen: Sie entwickeln die Erkrankung rund zehnmal häufiger als Männer.
Welche Schilddrüsenerkrankungen gibt es?
Es gibt verschiedene Schilddrüsenerkrankungen, die sich in ihrer Ursache, den Symptomen und der Behandlung unterscheiden. Die Krankheitsbilder reichen von einer jodmangelbedingten Vergrößerung des Organs bis hin zu Krebserkrankungen. Zu den häufigsten Schilddrüsenerkrankungen zählen:
Struma diffusa und Struma nodosa
Autoimmunerkrankungen (z. B. Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow)
Entzündungen (Thyreoiditis)
Schilddrüsenkrebs
Abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung können unterschiedliche Beschwerden auftreten. Eine Vergrößerung der Schilddrüse kann zum Beispiel ein Druck- oder Engegefühl am Hals verursachen. Außerdem können Erkrankungen der Schilddrüse die Fähigkeit des Organs beeinflussen, die lebenswichtigen Hormone T3 und T4 herzustellen. Störungen der Schilddrüsenfunktion lassen sich grundsätzlich in zwei Haupttypen einteilen: Unterfunktion (Hypothyreose) und Überfunktion (Hyperthyreose).
Warum wird der Schilddrüse und ihren Erkrankungen so wenig Aufmerksamkeit geschenkt?
Die Schilddrüse ist ein unscheinbares Organ. Ihr Volumen beträgt nur etwa 6 bis 18 Milliliter – vergleichbar mit der Größe einer Walnuss. Bei Männern liegt der Normalbereich zwischen 9 und 25 Millilitern.
Obwohl das schmetterlingsförmige Organ bereits vor Jahrtausenden das Interesse von Gelehrten auf sich zog, dauerte es bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, bis man verstand, wie es zu einer krankhaften Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) kommt – und welche zentrale Rolle die Jodaufnahme über die Nahrung dabei spielt. Bald galt Jodmangel als eine leicht beherrschbare Gesundheitsgefahr, während andere Erkrankungen der Schilddrüse lange Zeit als seltene Randphänomene betrachtet wurden.
Die Symptome einer Schilddrüsenfunktionsstörung entwickeln sich meist schleichend und sind oft unspezifisch. Betroffene berichten etwa über Müdigkeit, Erschöpfung, Gewichtszunahme oder Verdauungsbeschwerden (>News Hashimoto Bauch) aber auch über Gereiztheit, Nervosität oder Schlafstörungen. Diese Beschwerden lassen sich nicht ohne Weiteres auf eine eindeutige Ursache zurückführen – was die Diagnose zusätzlich erschwert.
Hinzu kommt: Das Fachgebiet der Endokrinologie, insbesondere die Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen, spielt in der medizinischen Ausbildung vieler Ärztinnen und Ärzte noch immer eine untergeordnete Rolle. Die Folge: Viele Patienten – etwa mit Hashimoto-Thyreoiditis – erhalten ihre Diagnose erst spät. Auch eingeleitete Behandlungen führen nicht immer zum gewünschten Erfolg.
Welche Probleme entstehen durch das fehlende Bewusstsein für Schilddrüsenerkrankungen?
Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Gewichtsschwankungen, depressive Verstimmungen oder Herzrasen werden häufig nicht mit der Schilddrüse in Verbindung gebracht. Erkrankungen wie Hypothyreose, Hyperthyreose oder Hashimoto-Thyreoiditis werden fälschlicherweise anderen Ursachen zugeschrieben – etwa Burnout oder psychischen Störungen. Für die Betroffenen bedeutet das häufig eine lange Odyssee von Arzt zu Arzt, auf der Suche nach Hilfe und einer Erklärung für ihren Zustand. Viele leiden dabei unter Selbstzweifeln, Unverständnis durch Partner oder Umfeld bis hin zu sozialem Rückzug oder Ausgrenzung.
Hinzu kommen weitere gesundheitliche Risiken: Subklinische Verläufe – also Schilddrüsenstörungen ohne akute Symptome – bleiben oft unerkannt, obwohl sie langfristig zu chronischer Belastung und Folgeschäden führen können. Eine Schilddrüsenfunktionsstörung erhöht beispielsweise das Risiko für Osteoporose, Depressionen (> News: Hashimoto-Thyreoiditis und psychische Gesundheit) und das sogenannte Metabolische Syndrom. Letzteres beschreibt eine Kombination von Symptomen, die – neben dem Rauchen – zu den größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören. Diese stellen weltweit die häufigste Todesursache dar – mit jährlich rund 18 Millionen Todesfällen.
Bei Osteoporose kommt es zu einem Abbau von Knochensubstanz; die Knochen werden porös und brechen leichter. Frauen mit einer Schilddrüsenüberfunktion haben ein bis zu zehnfach erhöhtes Risiko, daran zu erkranken – im Vergleich zu Frauen mit gesunder Schilddrüsenfunktion.
Patientinnen und Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow oder einer latenten bzw. ausgeprägten Schilddrüsenunterfunktion haben ein um den Faktor 3,5 erhöhtes Risiko, an depressiven Symptomen zu leiden. Auch die Wahrscheinlichkeit für Angststörungen ist bei ihnen mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen mit gesunder Schilddrüse.
Mehr Aufmerksamkeit für die Schilddrüse – was kann das bringen?
Erkrankungen und Störungen der Schilddrüse wie Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow, Schilddrüsenunterfunktion und -überfunktion sind reale gesundheitliche Probleme. Sie erzeugen Leidensdruck und schränken die Lebensqualität der Betroffenen zum Teil massiv ein. Menschen, die erkrankt sind verdienen es, in ihren Beschwerden ernst genommen zu werden und Linderung zu erfahren. Das gilt umso mehr, da die Häufigkeit etwa der Hashimoto-Thyreoiditis wohl weiter zunimmt. Bereits heutzutage erkranken vier bis zehn Prozent der Bevölkerung – manche Studien gehen von bis zu zwölf Prozent aus – irgendwann im Laufe ihres Lebens an Hashimoto-Thyreoiditis.
Aufklärung, für die Facharztpraxen und Krankenhäuser weltweit am 25 Mai, dem Weltschilddrüsentag werben, hilft, die Öffentlichkeit, medizinisches Fachpersonal und Gesundheitspolitik für die oft unterschätzten Schilddrüsenerkrankungen zu sensibilisieren. So gelingt es hoffentlich, dass mehr Betroffene Zugang zu Schilddrüsenmedizinern bekommen, Krankheiten frühzeitig erkannt und behandelt werden oder gar nicht erst entstehen.
Eine rechtzeitige Überprüfung der Schilddrüsenfunktion sowie eine ausreichende, jedoch nicht übermäßige Zufuhr von Jod, Selen, Eisen und Vitamin D sind entscheidend, um das Risiko für Schilddrüsenerkrankungen und gesundheitliche Folgeschäden zu minimieren. In unserem Zentrum für Schilddrüsenerkrankungen in Bonn und Bornheim beraten wir Sie gerne umfassend und individuell.
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